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Ich verbiete Dir...

Performance über den bewußten Umgang mit Verboten, Montessori Kindergarten Gauting - 2005



Wenn ich Kindern beim Spielen zuschaue, bewundere ich Momente völlig intakter Freiheit im Experimentieren ganz besonders. Diese Freiheit steht bei Erwachsenen ebenso wie bei Kindern immer im Widerstreit mit Verboten. Diese bemerkenswerte Gemeinsamkeit ist in meinen Augen Grund genug, dem Kindergarten zu diesem Thema eine Performance zu widmen.
Das Konzept zur Performance basiert auf der Idee, möglichst alle Familien der Kindergartenkinder sowie die Erzieherinnen folgender Maßen durch eine der Performance vorangehende Handlung mit einzubeziehen: Jedes Familienmitglied vervollständigt drei mal den angefangenen Satz „Ich verbiete Dir...“ zu einem Satz und  (lässt schreiben) schreibt jeden Satz auf einen Zettel der nicht größer als 5 x 5 cm sein soll.(anonym)

Für jeden Satz sollen 33 g Mehl plus die entsprechenden 3 Zettel in einen Behälter gefüllt werden. Jede Person soll dazu einen eigenen Behälter bereitstellen.

Die Behälter sollen nicht zerbrechlich, leicht zu öffnen, das Mehl bitte trocken sein! Jeder Behälter inklusive 3 Zettel und 99 g Mehl sollen zur Performance mitgebracht werden.


Die mitzubringenden ritualisierten Gegenstände werden in der Performance*„ Ich verbiete Dir...“ verwendet. Robert Kessler, Samstag, den 4 Mai um 16 Uhr in der Turnhalle des Don Bosco–Heims Gauting. Pressemitteilung "Ich verbiete Dir..." Auch heute noch ein pädagogischer Leitspruch?

Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf sorgt sich um den Werteverfall der Jugend, die Pisastudie schreckt Politiker, Pädagogen und Eltern auf  und das Erfurter Drama ruft nach Schuld und Sühne - Deutschland hat endlich wieder eine Erziehungsdiskussion.
Bei der hektischen Suche nach neuen Konzepten fällt auf, es gibt fast nichts, was es nicht schon gab:
Genau vor 50 Jahren starb Dr. Maria Montessori, die erste ÄrztIN Italiens und hinterließ uns ein neues Verständnis für´s Kind. Schlagworte wie "hilf mir, es selbst zu tun" sind nur medienmächtige Aussagen für eine Pädagogik, ohne deren Elemente heute nicht ein einziger öffentlicher Kindergarten mehr denkbar wäre (wie z.B. "kindgerechte Umgebung" mit kleinen Möbeln etc.). Aussagen wie Erziehung zur frühen Selbständigkeit, der Lehrer als Begleiter des Kindes und die beobachtende Position des Erwachsenen haben weder mit der strengen Erziehungsregeln des 19. Jahrhunderts zu tun, noch mit der antiautoritären Erziehung der Endsechziger, AnfangsiebzigerJahre zu tun, bei der es praktisch kein lenkendes Eingreifen der Erwachsenen gab.  
Mitte der 60er Jahre werden die ersten privaten Montessori Kindergärten und Schulen gegründet - auch in München. Was damals von vielen als exaltiert und unpädagogisch angesehen wurde, ist heute schon an vielen öffentlichen Schulen Bestandteil der alltäglichen Pädagogik. Auch im Würmtal gibt es heute mehrere Montessori-Kindergärten und Schulen. Im vergangenen Jahr wurde in Berg das erste bayerische Montessorigymnasium gegründet. Auch von der bayerischen Schulministerin Hohlmeier hört man anerkennende Worte für die Leistungen der Montessori Pädagogik.

Der Gautinger Montessori Kindergarten feiert Geburtstag: Vor 10 Jahren entstand er als Privatinitiative engagierter Eltern und ist heute lebendiger Teil der Gautinger Gemeinde. Als Beweis für ein wechselwirkendes Miteinander zwischen Kindern, Eltern und Erziehern (und Gemeinde) kann und soll auch die Performance "Ich verbiete Dir..." von Robert Kessler gelten, die er dem Gautinger Montessori-Kindergarten gewidmet hat.

WAS?!:     Performance  "Ich verbiete Dir..." von Robert Kessler
WANN?:    Samstag, den 8. Juni 2002
WO?:         Turnhalle  Don-Bosco-Heim Gauting

Kommentar zur Aktion: „Eine mögliche, nicht neutrale Beschreibung“
von Constanze Janker, Leiterin des Montessori - Kindergartens Gauting
für Robert Kessler


„Aktionskunst für Kinder heißt nicht immer, wo darf ich „die Sau `rauslassen“ oder große Effektshow.
Diesmal: Kinder ernstnehmen, heißt, die Verbote denen sie begegnen, aufgreifen. Diese Verbote, welche Kinder und Erwachsene auf den Zettelchen mitbrachten waren konkret, zum Teil hautnah, wie z.B. ich verbiete dir, „mich zu hauen“, oder „ich verbiete dir mich anzuschreien“.
Was macht Hr. Kessler daraus? Wie die Dose der Pandora öffnet er eine nach der anderen, ohne eine zu vergessen und schüttet sie ohne Unterschied (für jeden wiegt sein Verbot am wichtigsten) auf einen Haufen.
Für uns und die Kinder, welche ihre Wertewelt in starker Polarisation von gut und böse einteilen, treibt Hr. Kessler die Verbote auf die Spitze, indem er durch Verbote alle Sinne einengt und schließlich ausschaltet, von dem Tast- Bewegungs - bis Hör -und Sehsinn- zeigt er, dass die Endkonsequenz der Tod ist. Er hört auf zu atmen und fällt tot um, mitten in den Mehlhaufen, mitten in alle Verbote. Eine Mahnung treibt es nicht zu dick! Manche Kinder benennen es bis dahin als Quatsch. Klar die Absurdität oder Übertreibung ist ein Stilmittel, doch in der modernen Kunst erlaubt, wie in einem Kasperletheater auch. Doch das war nicht das Ende! Hr. Kessler bleibt nicht liegen, in einer Unmöglichkeitssituation steht er auf, eingetaucht, davon bedeckt, voll weißen Mehls. Mehl als Stoff? Grundlage unseres täglichen Brotes. Jetzt dreht er alle Verbots-behauptungen um, stellt sie als Frage neu, wartet auf die klaren Antworten der Zuschauer. Nein, es ist nicht verboten als Mensch( jedenfalls für uns, - wo anders schaut es da auch anders aus) mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu leben.
Für Kinder in der senso-motorischen Phase ist es die lebensnotwendige Methode sich selbst und die Welt wahrzunehmen – ungetrennt von Herz, Hand und Verstand. Und so teilte der Herzensmann, mit dem blinkendem roten Licht von seinem Mehl aus den Hosentaschen an alle einen weißen Punkt aus und machte sie zu „Mitverschworenen. Danke!“           

Constanze Janker

Broschüre (PDF)


Dokumentation der Perfomance
Video


Kamera: Arno Drexler, Teil 1/2
Video