Robert Kessler
Arbeit mit Gedenkstätten, von Dr. Christa Sütterlin - 2020
Mahnmale und Gedenkstätten
Robert Kessler verbindet als Künstler vieler öffentlicher Arbeiten hohe Sicherheit und Erfahrung im Umgang mit bildlichen Symbolen, große Sensibilität für soziale Vorgänge, sowie ein tiefes Verständnis für moderne technische und energetische Prozesse. Dies ist eine recht ungewöhnliche, ja einzigartige Kombination von Interessen und Begabungen. Als kinetischem Künstler stehen ihm Mittel der Visualisierung zur Verfügung, welche der Dynamik von Zusammenhängen im sozialen und modernen öffentlichen Leben in hohem Maße gerecht werden.
Damit schließt sich eine neue Dimension öffentlicher Darstellung auf.
Vorgänge sichtbar auf einen Punkt zu bringen, der es erlaubt, Dynamiken abzuschätzen, ihre gegenseitige Vernetzung zu verstehen und vor allem, die Sichtweise des Betrachters so einzubeziehen, dass die Rolle seines eigenen Handelns - als Mit-Verantwortung - deutlich wird. Es handelt sich bei Robert Kesslers Manifesten und Monumenten nie um Anklage, vielmehr um eine Einladung teilzuhaben, buchstäblich ‚einzusteigen’ und darin Platz zu nehmen, um die Wirkung der eigenen Handlungsweise zu erkennen und besser abwägen zu können. Es verbinden sich spielerische Effekte mit hoher künstlerischer Perfektion und großem Ernst. Es ist eine Einladung zum Verstehen sozialer Interaktionen und umweltbezogener Zusammenhänge.
Öffentliche Arbeiten wie Denk- und Mahnmäler stehen heute in einer ebenso heftigen Diskussion wie der öffentliche Raum selbst. Das war nicht immer so.
Denkmäler entstanden als Mittelpunkt von Gemeinschaften und als Orte des Zusammenhaltes, einer Identität nach innen wie nach außen. Dem entsprach ihre frühe Funktion der Befestigung an den Grenzen einerseits wie auch der Ahnenverehrung im Kultzentrum von Gemeinschaften andererseits. Denkmäler waren Merkpunkte im kulturellen Gedächtnis einer Gemeinschaft und stifteten wenn nicht Frieden, so doch Geschichte. In ihnen wurde bildlich festgelegt, wo politische Probleme zu erkennen waren - nicht zuletzt auch über kollektive Helden- und Feindbilder.
Von diesen Polarisierungen ist man längst weg gekommen. Geblieben ist oft ein leerer Ort in modernen Stadträumen, welcher Chancen birgt, neue Zeichen zu setzen für eine moderne kollektive Denk- oder Erinnerungskultur. Auch der programmatische Vergangenheits- und Personenbezug von Denkmälern ist ein anderer geworden. Die Aufgabe eines reinen Erinnerungs- und Ahnenkults hat sich vielerorts gewandelt in jene des Anbringens von Zeichen, die über das bloße Gedenken hinaus zum Denken und Betrachten aktueller Gegenwart anregen. Anders als früher bergen Orte für Denkmäler Chancen des friedlichen Zusammenkommens und der öffentlichen Auseinandersetzung
Denkmäler schaffen Gemeinschaft und Öffentlichkeit - eine Betroffenheit und Solidarität, die eine mündliche Mitteilung nie auslösen kann. Sie machen uns zu Bürgern einer Stadt, aber auch zu Weltbürgern, Naturschützern und Friedenssuchern. Denkmäler schaffen neue Handlungs-Spielräume und regen selber zum Handeln an.
Kunst selbst kann niemals handeln, aber sie kann die dem Handeln inhärenten Kräfte sichtbar - und sich damit öffentlich machen. Damit erreicht sie eine dem Handeln ähnliche politische Dimension.
Handeln ist das einzige Vorrecht des Menschen, sagt Hannah Arendt.
Zusammenfassend:
Robert Kesslers Interesse ist es, Zusammenhänge in einer Schicht zu verstehen, die tiefer greifen kann als Worte, und anschaulich zu machen weiß, was eine Öffentlichkeit angeht. Sein Verständnis von dynamischen Vorgängen erlaubt es, diese künstlerisch zu visualisieren, also umzusetzen in ein Medium, das eine breite Öffentlichkeit erreicht und zur Teilnahme im Mit-Denken oder Mit-Handeln anregt.
Dr. Christa Sütterlin studierte Kunstgeschichte, Germanistik, französische Literatur und Philosophie an der Universität Zürich. PostDoc-Stipendium zur "Experimentellen" Aesthetik" an der LMU München (E. Pöppel). Seit 1983 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle für Humanethologie in der Max-Planck-Gesellschaft, Andechs (I.Eibl-Eibesfeldt), seit 1996 am Humanethologischen Filmarchiv MPG Andechs. Vorlesungen, Seminarien und Lehraufträge für Humanethologie am Zoologischen Institut der LMU München. Projekte: Ethologie der ästhetischen Wahrnehmung und Kunst, Kunst und Kommunikation, Kunst und öffentlicher Raum, Universalien, Symbolbildung. Forschungsaufenthalte in Afrika, Indonesien und Papua Neu Guinea.