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Kapelle Beilngries

Kapellengestaltung 1. Preis; Realisierung Senoiren- und Krankenhauszentrum Beilngries - 1994

Gedanken zur künstlerischen Gestaltung der Kapelle
Robert Kessler

Das Entwurfsmodell zu dieser Kapelle wurde am 1. April 1994 von dem Künstler Robert Kessler aus München dem Stadtrat der Stadt Beilngries, sowie den beiden derzeitigen Pfarrern Herrn Harrer und Herrn Petersen vorgestellt. Die Wünsche des Architekten, Herrn Prof. Hans Nickl nach einer zeitgenössischen Gestaltung, welche einen Bezug vom Inneren der Kapelle zu deren Umgebung herstellt, und dabei harmonisch zu dem Konzept des neu gestalteten Hauses passt, wurden dem Entwurf von Robert Kessler zu Grunde gelegt.
Ferner sollten nach Möglichkeit Bestandteile der früheren Kapelle wie Kreuzweg und Madonnenfigur in die neue Gestaltung aufgenommen werden. Auch die Kapellentüre mit dem schrägen Glasfenster, welches mit dem Türgriff zusammen ein Kreuz bildet, war bereits vom Architekten  konzipiert.  Die Kapelle sollte als Andachtsraum für jegliche Glaubensrichtungen dienen, in der regelmäßig evangelische und katholische  Messen  stattfinden. Noch am selben Tag wurde im Stadtrat einstimmig beschlossen, diesen Entwurf zu realisieren.

Der Weg nach Innen

Der schräge Fensterschlitz in der Kapellentüre ermöglicht einen vorsichtigen Einblick in die Kapelle. Ein Besucher kann sich mit einem Blick vergewissern, ob die Messe bereits angefangen hat, oder ob er im Andachtsraum alleine sein kann, ohne dabei die Türe öffnen zu müssen. Zugleich ermöglicht dieses Fenster einerseits die wechselweise Sichtverbindung von innen nach außen, und andererseits blickt das an der Altarwand befindliche Wandkreuz dem "Fenstergucker" deckungsgleich mit der Schräglage des Fensters entgegen. Der über die Schräglage des Fensters verwunderte Besucher, findet zwar in der gleichen Schräglage des Wandkreuzes eine Entsprechung, jedoch keine Erklärung dafür. So betritt der Besucher möglicherweise gleich mit einer Frage den Kapellenraum.

Fragen
Der Zustand des Fragens," was da ist, -  und warum das so ist", ist eine Offenheit gegenüber dem, was da ist. Wenn man keine Erklärung oder Bedeutung für das Neue findet, und niemand da ist, der eine Antwort für das Unbekannte weiß, so findet man sich in der Position des Irritiertseins wieder, die es solange auszuhalten gilt, bis man selbst eine "eigene" Erklärung oder Bedeutung findet.
Dieser Vorgang ist oft von unangenehmer Unsicherheit begleitet, führt aber, wenn man den mühsamen Weg des sich selbst Befragens, und Antworten in seinem Inneren Erhorchens beschreitet, möglicherweise zu einer  Erkenntnis darüber, wie jemand selbst zu etwas steht, was es ihm bedeutet, und welchen Wert er für sich darin sieht.  In diesem Sinne wäre es schade, wenn ich Ihnen als Betrachter und Betrachterin mit allen  meinen  Erklärungen und Bedeutungen über das von mir geschaffene Kapellenwerk zuvorkomme, ohne dass Sie sich in aller Ruhe erst einmal selbst befragen können. Nehmen Sie sich ruhig Zeit, Ihre innere Welt zu erkunden, und lesen Sie die nachfolgende Interpretation erst später!
Ich wende  mich ganz mit Absicht und großer Aufmerksamkeit dem Zustand des Fragens und selbst Antwortfindens zu, weil er nicht nur zur Berührung mit Kunst gehört, sondern weil dieser Vorgang meines Erachtens den zentralen Zugang zum menschlichen Seelenleben und zu Gott bildet. Das Erkennen der eigenen Beschaffenheit, unserer Natur, unseres Wesens, unserer Ängste und Wünsche, bringt uns immer wieder in die Situation des Fragens. Wie viele Antworten haben wir schon auf all unsere Fragen gefunden, die uns in der Bewältigung des Lebens mit anderen Menschen  geholfen haben, Lösungen zu finden, und wie viele Fragen sind noch unbeantwortet geblieben.
Ein Andachtsraum ist der richtige Ort um Fragen zu stellen und Antworten zu finden oder zu bekommen. Lassen Sie sich also von der künstlerischen Gestaltung in den Zustand des Fragens versetzen, und benutzen Sie diesen Zustand des Offenseins dazu,  Ihren Fragen zum  Leben und  zu Gott ebenso offen zu begegnen. Wer fragt, dem wird geantwortet.

Interpretation
Opferkerzen, Fußplatte, Ohr. Stehen Sie nun zum Beispiel vor den Opferlichtern an der Rückwand der Kapelle und fragen sich, was die Fußabdrücke im Boden und dieses Ohr an der Wand denn bedeuten sollen, so will ich Ihnen hier meine Hilfe anbieten: Stellen Sie sich selbst  Fragen, so wie Kinder das tun." Was ist ein Ohr, wozu dient es, von wem ist es? Fassen Sie es ruhig an, und achten Sie darauf, was Ihnen währenddessen einfällt, an wen es Sie zum Beispiel erinnert, und von wem Sie gehört werden wollen, oder wer sie hören soll. Da sind Sie schon auf der richtigen Spur.    
Wissen Sie noch, wie sich das anfühlt, wenn Sie selbst barfuss, also Ihre Füße nackt sind? Keine Schuhe, nicht der übliche gewohnheitsmäßige Tritt, sondern ein ganz direkter Kontakt mit der Erde und Ihren Füßen, genau dort wo Sie sind! Um  gehört und verstanden zu werden, ist es gut zu wissen, wo man steht (Ihr Standpunkt) und worauf sich dieser Standpunkt begründet. Die beiden Fußabdrücke (=Standpunkte) auf der Bronzeplatte am Boden vor den Opferlichtern stammen von einer Frau und einem Mann, und verkörpern männliche und weibliche Pole (Archetypen), welche wir als Gegensätze in unserer Person vereint finden und die uns aber auch  als "entweder & oder" zum Zweifel bringen können. 
Wollen Sie nun eine Botschaft empfangen oder aussenden, dann brauchen Sie zu Ihrem Standpunkt, von dem Sie ausgehen, und dem Ohr, in das Sie hineinsprechen, noch etwas, das als Übertragungsmedium zur Verfügung steht. Ich verstehe die Kraft der Gedanken, das Glauben, als ein solches Medium. Als Symbol für diese Kraft gilt das Licht. Die Energie und Lebendigkeit des Lichtes sind an der Hitze seines Feuers zu erkennen. Die Kerze ist nicht nur  Symbol der individuellen Seele, sondern auch der Verbindung zwischen Materie und Geist (physikalisch: Verbindung vom Universum zur Erde, zwischen Wachs und Luft).
Wenn sie nun ein Lichtschälchen entzünden, so können Sie durch Drehung des zugehörigen Spiegels den Lichtstrahl ( = Gedanken ) der Kerze in eine von Ihnen gewählte Richtung stellen. Diese Ausrichtung des Spiegels versinnbildlicht die Notwendigkeit, sich zu vergegenwärtigen, wo sich derjenige jetzt befindet, dem Sie Ihre Botschaft bringen wollen, oder von dem Sie hören wollen.

Weihwasserbecken

Die beiden Hände welche das Weihwasserbecken bilden, sind unterschiedlich und stammen, ebenso wie der Fußabdruck vor den Opferlichtern, auch von Mann und Frau.

Altar
Sowohl der Altar, als auch der Ambo ruhen auf einem Unterbau, dessen Querschnitt in Augenform ausgebildet ist. Wenn Sie den Bodenkreis um den Altar betrachten, finden Sie dort Angaben über
Himmelsrichtungen, und den kleinen im Boden eingelassenen Scheiben aus schwarzem und weißem Marmor, die den Sonnenstand der entsprechenden Tageszeit demonstrieren. Sie können sich angesichts der  Himmelsrichtungen fragen, woher Sie selbst gekommen sind und wohin Sie wollen und in welcher Zeit der Entwicklung Ihres Lebens Sie jetzt gerade stehen. Der Altar steht im Mittelpunkt dieser Zeit - Ort Orientierungsstelle. Seine wasserähnlich grün schimmernde Glasplatte  wird durch ein zentrales Licht aus einer runden Deckenöffnung beleuchtet. Es bricht sich im Wasser der darüber hängenden Glaslinse  und zeichnet ein wellenartiges Ringmuster auf den Boden und auf die Altarplatte.

Wasser

Wasser als Symbol für" Wasser des Lebens ", des ewigen Lebens, als Fülle aller Möglichkeiten, als Uranfang alles Seienden, auch als Zeichen der geistigen und seelischen Reinigung, oder auch als zerstörende Macht wie der Sintflut.

Glas
Glas gilt wegen seiner Transparenz wie der Kristall, als Symbol des Lichts, es läßt alle Dinge durchscheinen, ohne selbst Schaden zu nehmen und steht auch als Zeichen der unbefleckten Empfängnis. Es kann Wärme und Kälte trennen, und davor schützen.

Licht
Ist eine allgegenwärtige Erscheinung, die uns in ihren Wirkungen vertraut, in ihrem Wesen weitgehend unfassbar ist. Aus diesem Grund gilt das Licht als bevorzugtes Symbol für Immaterialität, Geist, Gott, aber auch dem Leben und dem Glück. Das Licht begegnet häufig in Abgrenzung zur Finsternis, die als Symbol für Nichterkennen und geistige Dumpfheit, Tod, Unglück oder aber auch für Geheimnis erscheint. Fast alle auf einer Zweiteilung der Welt basierenden 2 Grundprinzipien beziehen sich auf die Unterscheidung von Licht und Dunkelheit, Yin - Yang, Engel - Dämon, Geist und Materie.... Die Vorstellung eines Aufstiegs vom Dunkel zum Licht spielt bei vielen Völkern eine wichtige Rolle sowohl in Bezug auf die Menschheits- wie die Individualentwicklung (Auszüge: Herder Lexikon, Symbole ). Wasser und Licht treffen am Altarplatz zusammen. Das Licht so wie es aus der Öffnung in der Decke heraustritt, durchdringt und verbindet die Symbolischen Welten von Wasser und Glas und scheint auf den Altar und den Bodenkreis auf dem wir Menschen wandeln. Damit diese wesentliche Symbolik im Zentrum des Altarraums nicht unsichtbar wird, würde ich es begrüßen, wenn die jeweiligen Altartücher nur zur Zeit der Messe auf den Altar gebreitet werden.

Mobile
Eine weitere Anspielung auf das Licht stellt das Mobile vor dem Fenster dar. Es zeigt die wesentlichen drei Farbbestandteile rot, gelb, und blau, unseres Sonnenlichtes, die erst in ihrer Brechung,  zum Beispiel bei einem Regenbogen sichtbar werden. Die Überlappungsfelder  der Farbgläser werden durch Bewegung des Mobiles verändert, so dass Mischfarben entstehen. Blickt man vom Inneren der Kapelle durch das Säulentor in den Garten, so mischen sich die Farben des Mobiles mit den Farben der Außenwelt oder bilden einen Kontrast. Durch ein Berühren und Bewegen des Mobiles von einem Besucher entsteht eine Veränderung.

Säulentor
Ein Tor steht, ähnlich einer Brücke, als Sinnbild des Übergangs von einem Bereich in den anderen. Hier in dieser Kapelle steht dieses Tor, mit der Möglichkeit wechselseitiger Blickrichtungen, für die Verbindung von innen und außen, und bietet nicht nur für die Gottesdienste einen Anreiz, sich mit der Thematik des Durch - und Übergangs auseinanderzusetzen.

Tabernakel und Kreuz
Der Tabernakel trägt auf der Außenseite ein Gesicht, dessen Herkunft schwer zu erraten ist, seine Geschichte aber umso deutlicher an seinem Antlitz abzulesen ist. Wer war dieser Mann, durch dessen Leiden wir für die Ewigkeit vorbereitet werden, der uns zeigt, daß hinter dem Leiden der Sinn einer Entwicklung steht, und der sich mit seinem Gesicht nicht zu verstecken braucht? Er hat das Kreuz getragen, diese schweren Holzbalken, die sich in die Schräge neigen, sobald sie angehoben werden, und auf dem Rücken getragen werden.  

Gespiegeltes Licht
Ein kleiner Spiegel gegenüber der Kapelle am Spalier im Gartenhof wirft, je nach Stellung zur Sonne zu einem bestimmbaren Zeitpunkt des Tages einen Lichtstrahl auf die Kreuzwand der Kapelle. Der Spiegel bedarf der sorgsamen Einstellung eines Menschen, der ihn je nach Jahreszeiten so einstellt, dass sein Licht wieder auf die Wand der Kapelle fällt.
Der große Spiegel auf dem überdimensionalen Grashalm im Brunnenhof bietet die Möglichkeit,  einen hellen Lichtpunkt in eines der vielen umliegenden Zimmer zu schicken, wo dieses Licht vielleicht Wunder wirken kann, vor allem wenn man weiß, wer der Sender ist.

Ich würde mich freuen, wenn meine kleine Erläuterung Ihren Zugang zu dieser Kapelle erhellt, und einen warmen Lichtstrahl in Ihrem  Herz erzeugen kann.  

Robert Kessler 1.4.1994